Im Sommer 2023 wurden vom Verein „Leben in Biestow” e. V. zwei neue Sitzbänke an der Wegegabelung zwischen Klein Schwaßer Weg und Damerower Weg der Öffentlichkeit zur Benutzung übergeben. Künftig werden Spaziergänger an diesem schönen und historischen Ort eine Rast einlegen können, um den Pferden vom Fohlenhof beim Grasen zuzusehen, die Biestower Störche bei der Nahrungssuche zu beobachten oder um einfach nur die herrliche Ruhe und die umgebende Natur zu genießen.
Die beiden Wege wurden jahrhundertelang von den nach Biestow eingepfarrten Bauern aus Groß und Klein Schwaß, Schutow, Bramow und Barnstorf zu Fuß, zu Pferde oder im Pferdewagen als Kirchwege zum sonntäglichen Gottesdienst genutzt. Daher hieß der Damerower Weg ursprünglich – je nach Richtung – Biestower bzw. Barnstorfer Kirchweg.
Auch König Gustav III. von Schweden muss genau an dieser Wegegabelung vorbeigekommen sein, als er im Oktober 1783 inkognito zu den mondänen Thermalbädern bei Pisa in die Toskana reisen wollte, jedoch auf der ersten Etappe zwischen Warnemünde und Güstrow bereits kurz vor Biestow gestrandet ist und im Pfarrhaus bei Pastor Wiggers übernachten musste. Die Wege müssen damals sehr schlecht gewesen sein, denn in einem Brief beklagte der König „den onda genius, som råder öfver Tysklands vägar” (den bösen Geist, der über Deutschlands Wege regiert).
Der Barnstorfer Kirchweg war lange Zeit auch Teil eines beliebten Rundkurses, wenn die Städter aus Rostock sich in der ländlichen Sommerfrische erholen wollten. So hegte man schon im Jahr 1840 Befürchtungen, dass der „bisher zu Spazierfahrten und Spazierritten viel benutzte Weg über Bistow und Barnstorf nach Bramow” wegen der zwischen Barnstorf und Bramow an der neuen Doberaner Chaussee eingerichteten „Hebestelle” (Mautstelle, ungefähr an der heutigen Ecke Schwarzer Weg / Hamburger Straße) zukünftig nicht mehr kostenlos benutzbar sein würde. Reste dieses ehemaligen Rundweges findet man heute noch im Asternweg, der Kuphalstraße und im Schwarzen Weg. Wer Lust hatte, konnte damals in Biestow oder in Bramow in den dortigen Krügen eine Rast einlegen.
Die für die Naherholung ganz besondere Attraktivität des alten Dorfkerns von Biestow in Verbindung mit den westlich vorgelagerten Weideflächen des Zoologischen Gartens, dem parkähnlich angelegten Neuen Friedhof und den zahlreichen Sportplätzen jenseits des Kringelgrabens führten in den 1980er Jahren zu Überlegungen, wie diese Bereiche weiter entwickelt und aufgewertet werden könnten. Durch eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Stadtplanung mit Vertretern der Denkmalpflege und des Zoologischen Gartens und in Zusammenarbeit mit dem Bauernhausforscher Dr. Karl Baumgarten und der Gartenarchitektin Elisabeth Waack wurden viele tolle Ideen entwickelt und in einer „Ortsgestaltungskonzeption Rostock-Biestow” zusammengefasst, die zuletzt im Jahr 1996 aktualisiert wurde.
Nach dieser Konzeption sollten am Damerower Weg verschiedene Projekte durch den Zoo realisiert werden, so z. B. der Umbau der neuen Schule (heute Landhotel und Restaurant „Rittmeister”) zu einem zentralen Zoogebäude mit einem Kinderspielplatz. Daneben sollte ein neuer Zoo-Bauernhof in überlieferter Bauweise entstehen: „Die Zielstellung für die Konzeption eines Zoo-Bauernhofes in Biestow ergibt sich aus der Bedeutung, die diesem Ort zukünftig für die nahe Großstadt Rostock, vor allem für die Bevölkerung ihres Südteils. zugemessen ist. So ist dieses Dorf vor allem als Erlebniskomplex für die dortigen Einwohner gedacht. […] Es werden hier in Zukunft vor allem Tiere gehalten werden, die vornehmlich der heranwachsenden Jugend unserer Großstädte oft nicht mehr oder kaum noch bekannt sind. Dieser Teil des Rostocker Zoos soll entsprechend in der Haltung heimischer Haustiere (Schweine, Schafe, Kälber. Fohlen, Ziegen u. ä.) die Verbundenheit mit unserer heimischen Umwelt bewußtmachen bzw. sie wecken und stärken.” (Dr. Baumgarten)
Nach den Vorstellungen von Frau Waack sollte die Aufenthaltsqualität am und im Damerower Weg durch das Anpflanzen einer Allee und das Aufstellen von Sitzbänken verbessert werden. Als Termin für die Durchführung dieser Arbeiten war „voraussichtlich Herbst 1986” vorgesehen. Die Pläne für die Frei- und Grünflächengestaltung werden heute im „Studienarchiv Umweltgeschichte” der Hochschule Neubrandenburg verwahrt (unter den Signaturen StUG 430-97 und StUG 419-38).
Die Errichtung eines Zoo-Bauernhofs wurde zwar nicht mehr realisiert, dafür aber ein Teilbereich des Zoogeländes als Streichelzoo mit Ponyreiten eingerichtet. In einem kleinen Empfangsgebäude konnten Spielzeuge und Plüschtiere erworben werden und es wurde eine kleine Gastronomie betrieben. So war für einige Jahre ein attraktives Ausflugsziel insbesondere für Schulklassen und Kindergartengruppen entstanden, das zudem über eine am Restaurant „Rittmeister” eingerichtete Bushaltestelle gut zu erreichen war. Angrenzend an den Streichelzoo wurden auch erste Ansätze einer Allee durch Anpflanzung einer Lindenreihe umgesetzt.
Nachdem der Zoo sich aus der Bewirtschaftung der Biestower Flächen komplett zurückgezogen und das Gelände an private Investoren unterverpachtet hatte, wurden auch durch die Rostocker Stadtplaner andere Entwicklungsziele mit Schwerpunkt auf dem überregionalen Tourismus priorisiert. Neue Sitzbänke für die erholungssuchende Nahbevölkerung konnten am Damerower Weg (nach einem Vorschlag des Vereins) nicht mehr aufgestellt werden, da die verbliebene öffentliche Fläche dafür keinen Raum mehr bot.
Da der Damerower Weg zusammen mit der umgebenden Landschaft aber weiterhin äußerst attraktiv für die Naherholung der Südstädter und der Biestower ist und entsprechend intensiv von Spaziergängern und Radfahrern genutzt wird, wurden vom Verein „Leben in Biestow” e. V. Überlegungen angestellt, wie man diese Naherholungsqualität doch noch verbessern könnte. Anknüpfend an die alten Ideen wurde nach einer Möglichkeit gesucht, wenigstens Sitzbänke an einem geeigneten Ort aufzustellen. Dabei sollte der Standort möglichst unbeeinflusst von störendem Fahrzeugverkehr den unverstellten Blick „ins Grüne” ermöglichen. Als am besten geeignet wurde die oben beschriebene Stelle identifiziert.
Mit der Eigentümerin des angrenzenden Grundstücks konnte ein Vertrag abgeschlossen werden, der es dem Verein erlaubt, eine kleine Fläche unentgeltlich zu nutzen. Verbunden ist dieser Vertrag mit der Auflage, auf der Fläche Sitzbänke zur öffentlichen Nutzung aufzustellen und die entsprechende Verkehrssicherungspflicht zu übernehmen. Zur Finanzierung einer Bank wurde ein Förderantrag aus dem Budget des Ortsbeirats Biestow gestellt, der auch bewilligt wurde. Die Anschaffung einer zweiten Bank wurde durch Spenden von Vereinsmitgliedern ermöglicht. Schließlich wurden die beiden Bänke im November 2022 bestellt und im April 2023 geliefert.
Am 29.04.2023 war es dann endlich soweit. 10 Vereinsmitglieder trafen sich zu einem Wochenend-Subbotnik vor Ort. Begleitet von wohlwollendem Lob der Passanten wurden letzte Details der Anlage diskutiert, das Planum hergestellt, fachkundig Fundamente gegossen und die Bänke optimal aufgestellt. Ende Mai wurden auch die Flächen um die Bänke ordentlich gepflastert und anschließend noch eine Blumenwiese angesät.
Der Vereinsvorstand bedankt sich herzlich für die tatkräftige Unterstützung seiner Vereinsmitglieder, für das Entgegenkommen der Grundstückseigentümerin sowie den finanziellen Beitrag des Ortsbeirats Biestow und wünscht allen viel Freude und Entspannung bei der Nutzung der Anlage.
Wer ähnliche Projekte in Angriff nehmen und sich aktiv in die Gestaltung des Ortsteils Biestow einbringen möchte, dem sei die Broschüre „FREI RAUM FIBEL – Wissenswertes über die selbstgemachte Stadt” des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung ans Herz gelegt. Dort findet man viele Ideen und nützliche Tipps zu rechtlichen Rahmenbedingungen, verantwortlichen Stellen der Kommunalverwaltung usw.